Wortlos
„Der ist ja Französisch mit englischen Untertiteln. Oh, und der zweite Film Spanisch mit englischen Untertiteln.“
„Und?“
„ Mein Französisch ist schlecht, mein Englisch auch und Spanisch ist gleich Null bei mir.“
„Und?“
„Wie und?“
Ich überlege, ob ich Geraldine mit der Erklärung provozieren soll, dass das Festival ja schließlich Fantasy Film Festival heißt und ein bißchen Fantasie angebracht wäre, werfe den Gedanken über Bord und versuche es mit „Schau auf die Gesichter, die Mimik, achte auf die Körper, die Bewegungen, die Haltung, die Gestik, hör auf die Geräusche, die Musik. Du wirst beide Filme verstehen, auch ohne ein Wort zu verstehen.“
„Bist du sicher?“
„Ja.“
„Wirklich?“
„Ja.“
„Hm. Ich weiß nicht.“
„Um zu verstehen und sich verständlich zu machen, braucht man nicht immer Worte“, sage ich, inzwischen ein wenig genervt, weil ich mich sehr auf ‚Vidocq’ und ‚The devil´s backbone’ gefreut habe, und ich denke ‚bei dir brauche ich dafür, dass wir uns eigentlich ganz gut verstehen, heute außergewöhnlich viele Worte.’
„Okay, wenn du meinst.“
Sechs Stunden und zwei Kaffee später fragt Geraldine:
„Hat der Professor Carmen eigentlich geliebt?“
„Ja.“
„Bist du sicher?“
„Ja.“
„Wie kannst du sicher sein, er hat doch mitbekommen wie sie mit Jacinto geschlafen hat.“
„Na und? Hast du gesehen, wie er und Carmen sich angesehen haben?“
„Oh ja!“
„Sie liebten sich.“
„Aber er hat es ihr nicht gesagt.“
„Sie liebten sich.“
„Er hätte es ihr sagen können, als sie in seinen Armen starb.“
„Sie hat es gewusst.“
„Ich hätte es trotzdem schön gefunden, wenn er es ihr gesagt hätte.“
Ich bestelle mir wortlos bei dem jungen Kellner mit den hübschen Koteletten noch einen Kaffee (na bitte, wortlos geht doch, selbst unter Fremden) und beschließe, zwecks Verständnis in Zukunft mit Geraldine nur noch in Stummfilme zu gehen.
blogistin - Mittwoch, 20. Juli 2005, 13:56