Böse Jungs



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Er liebte Peter Greenaway, Kafka, Aha, Caspar-David Friedrich, Zarathustra, er trank rohe Eier, aß dazu Schinkenbrot mit Nutella, er liebte die Nacht und den alten Citroen seines Vaters, der in einem Schuppen voller Spinnen und Mäusen vor sich hinstaubte, die wunderbare Hydraulik leistete uns ab und an gute Dienste. Und ich, ich liebte ihn, zwei Jahre lang. Lies mich von ihm zeichnen, malen, fotografieren, saß viele Stunden lang Modell für eine Tonskulptur, die mir nicht im Entferntesten ähnelte und die er zertrümmerte, als wir uns zum ersten Mal stritten. Ich verteidigte seine Seltsamkeiten vor seiner Mutter, seinen Brüdern, schaute mit ihm wieder und wieder „Der Kontrakt des Zeichners“. Weil wir voneinander nicht lassen konnten, blieben wir ein weiteres Jahr zusammen. Ein Jahr, in dem wir verschwitzt und erschöpft einander in den Armen lagen und uns immer wieder bestätigten, mit Worten, dass wir uns ganz sicher nicht mehr lieben.
Und jetzt, jetzt kommt The Bad Plus. Nicht dass ich das Album „Give“ gerade erst gekauft hätte. Intensiver gehört vielleicht, gestern, auf einer längeren Autofahrt. So laut es nur ging. Sehr laut. „Velouria“, immer wieder (ja, es ist eine Coverversion von The Pixies’ Velouria). Das erste Bild in meinem Kopf war Greenaways Kontrakt des Zeichners, das zweite Kafkas Verwandlung, das dritte Herr Jähzorn. Herr Jähzorn und ich mit 15, 16, 17 Jahren. Herr Jähzorn, den ich liebte, weil keiner seiner Gedanken gerade war und nichts von dem was er tat, logisch, sehr selten nur hatten seine Gedanken, Worte und Taten etwas miteinander zu tun. Herr Jähzorn, der so wundervolle Talente hatte, der alles konnte außer leben, und der sich selbst jeden Weg versperrte, der auch nur den Hauch eines Ziels erahnen ließ.
Die Herren Anderson, Iverson und King (ein King an den Drums - yeah!) scheinen Ziele auf ähnliche Weise zu verdammen, wenngleich sie das nicht annähernd so verbissen tun wie einst Herr Jähzorn. Verbissen? Himmel, nein, sie spielen drauf los, spielen überraschende schöne Cover-Versionen, zum Beispiel von Ornette Coleman, Abba, Nirvana, Blondie. Sie spielen Jazz so ungehemmt in alle Richtungen wie ich es nur von Medeski, Martin, Wood kenne. Sie spielen laut und schnell und präzise, erinnern mich an das Esbjörn Svensson Trio, vor allem dann, wenn Herr Iverson am Klavier den Ton angibt. Bei JazzThing habe ich den Satz gelesen „Toll, ein Jazz-Trio, das so drauflospoltern kann wie eine Punk-Combo!“ – oh ja, drauflospoltern, das trifft es. Drauflospoltern trifft es ganz besonders bei Abbas „Knowing Me, Knowing You“, dem hidden track auf „Give“. Spätestens bei diesem Stück sind sie weg, alle Gedanken an meine rohe Eier trinkende erste große Liebe.
Heute: „Give“ nur als Tonspur, in Dauerschleife das schönste Stück der drei Herren, Marke Eigenbau: „And Here We Test Our Powers Of Observation“. Dazu schrieben The Bad Plus im Booklet „We see what we want so see. This is only a test.“. Genau das.

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