Frauen, Autos, rock and roll

karmann


Zart ist sie, die junge Dame, die mich nach Hause fährt. Zart und hübsch. An ihrem cremefarbenen Rollkragenpulli (9 Grad im Mai - Recht hat sie!) zeichnet sich ein dunkler Make-up-Rand ab und ich wundere mich, wie so ein hübsches, pickelloses junges Ding mit kaum erkennbaren Poren auf die Idee kommt, sich zwei Tuben Make-up aufs Gesicht zu spachteln. Kaum sitzen wir im Wagen, erzählt sie mir, dass sie für einen Fahrer eingesprungen ist, der gerade nicht da ist, nur damit ich nicht so lange warten muss. Und dass sie sich hier überhaupt nicht auskennt, weil sie ganz woanders wohnt und hier nur arbeitet und dass sie sowieso ein furchtbar schlechtes Orientierungsvermögen hat. Sie biegt vom Hof des Autohauses auf die Hauptstraße, gibt Gas, lässt die Kupplung zu früh kommen und wir hüpfen auf die Hauptstraße. Ihre Nase berührt nun fast das Lenkrad während ihr rechter Fuß offenbar Berührungsängste mit dem Gaspedal hat.
Da! Es geht voran, ruckelnd zwar, doch Meter für Meter wird das hübsche junge Ding hemmungsloser, tritt die Pedale noch etwas unkoordiniert, doch immerhin, sie tritt sie. Die nächste Ampel kommt bestimmt und ich freue mich auf ihren zweiten Anfahrversuch mit dem Wagen, der viel zu groß und unübersichtlich für sie ist.
Während wir holpern und ruckeln und schleichen erzählt sie mir, dass sie Schwierigkeiten hat, sich den Weg von der Berufsschule in die Firma zu merken. Den Weg von zu Hause zur Firma findet sie inzwischen allerdings problemlos, sagt sie und strahlt mich mit blanken Zähnen glücklich an, um sogleich den Kopf hektisch wieder zur Fahrbahn zu wenden, weil ich just in dem Augenblick sage „Nach der nächsten Ampel links, bitte.“ Dass diese Aktion einen Spurwechsel beinhaltet, war mir nicht bewusst. Spurwechsel, weia. Ich spüre die Fahrlehrerin in mir und überlege einen Moment zu lang, ob ich sagen soll „Blinker setzen, über die linke Schulter …“. Ich schweige und sie tut's, einfach so. Von wegen Blinker und Schulterblick: Jetzt gibt sie Gas, das Luder, und wie! Im Rückspiegel kann ich gerade noch einen Blick auf einen jungen Mann im aufgemotzten 2er-Golf (so was gibt’s noch?) erhaschen, der wütend die rechte Faust gen Windschutzscheibe reckt.
Für einen kurzen Moment scheint sie nun Herrin der Pedale, scheint zu spüren, was der flotte V8 von ihr will und tritt und kuppelt und bremst was das Zeug hält. Wir gleiten elegant zwei, drei Kilometer dahin. Sie erzählt von ihrer Fernbeziehung, die sie vor eineinhalb Jahren endlich aufgegeben hat und von Bremen hierher zu ihrem Freund gezogen ist und davon, dass sie sich inzwischen sehr wohl hier fühlt und nie wieder zurück möchte.
Die nächste Ampel droht mit Rot, doch die Glücksgefühle ob des Gleitens und der Gedanken an Freund und Freude machen das junge Ding offenbar für ein paar Sekunden farbenblind. Sie erschrickt und tritt auf die Bremse. Abrupt, besser noch: Sehr abrupt kommen wir zum Stehen. Sie lächelt mich an, ich lächle zurück und sage „Na, jetzt haben wir es ja bald geschafft,“ und fühle mich irgendwie komisch bei diesem Satz. Doch sie lächelt nun noch mehr und möchte wissen, wie lange es noch dauert bis wir dort sind, wo ich hin gebracht werden möchte. Und ob sie denn von dort aus auch wieder einfach in die Firma zurück findet. Sie lächelt und lächelt und wir ruckeln über die Kreuzung und ich beschließe, mich ein paar Hundert Meter vor meinem Ziel absetzen zu lassen, so dass das junge Ding nur einmal abbiegen muss, um geradewegs wieder im sicheren Hafen ihrer Firma zu landen. Ich teile ihr diesen Beschluss mit, sie strahlt. Ich sage "Hier, bitte,", sie strahlt noch mehr und bremst.
Überglücklich verabschieden wir uns voneinander. Wäre da nicht dieses „Kundin-Firma“-Ding zwischen uns, hätten wir uns umarmt, auf offener Straße, einfach so. Da bin ich mir ganz sicher.
Ich laufe nach Hause und freue mich darauf, dass ich meinen Wagen bald wieder haben werde, Gas geben kann ohne diesen sporadischen doch sehr nervigen Druckabfall an der Lader-Drosselklappe, dass die Einspritzanlage - Lambda Global sei dank - bald wieder blitzblank ist und ich spätestens morgen früh über die Autobahn düsen kann während Herrn Shadows Fixed-Income-Live-Mix aus den Lautsprechern blubbert: „… losing your seat belt … let’s rock and roll …“
40something - 11. Mai, 16:23

Doch eher Freude, dass Du überlebt hast??

blogistin - 12. Mai, 10:37

für den tod fuhren wir definitiv zu langsam, aus dem wagen springen wäre jederzeit möglich gewesen.
dg90 - 11. Mai, 16:55

Lachen musste ich bei diesem Bericht! Dabei erinnert ich mich an ein ähnliches Erlebnis, nur war "meine" Fahrerin gewillt ihre jungen Jahre zügig dem Ende entgegenzufahren. Ähnlich einer Stuka stiessen wie heulend (hochtourige Motoren im zweiten Gang haben dies so an sich) durch den Verkehr und meine Beifahrerfüße versuchten die nicht vorhandenen Bremspedale zu drücken. Während ich mich streckte und der Sitz unter mir knackend Zustimmung bekundete, hielt Sie aufgeregt eine Rede über die Welt und was ihr gefällt.

Ich lächelte nur - guter Beifahrer, der ich bin.

btw - Sie lebt noch immer, hübsch wie eh und je. In solchen Momenten leuchtet mir das Argument von "Gott ist da draußen" wahrlich ein.

blogistin - 12. Mai, 10:58

am schlimmsten finde ich taxifahrer, die mittags um halb eins im innenstadtbereich auf dreißig metern zwischen zwei ampeln zeigen wollen, wie schnell ihr wagen von 0 auf 100 beschleunigt und wie sauber die bremsen funktionieren (oft erlebt vor allem in köln). bin ich geschäftlich unterwegs und erwische mal einen entspannten dennoch zügigen taxifahrer, lasse ich mir seine karte geben und bestelle ausdrücklich ihn für all meine fahrten dort. in dieser hinsicht bin ich wohl sehr, hmm, eigen. und wohl eher eine schlechte beifahrerin. dafür hat mir allerdings mal ein junger mann mit ausgeprägtem hang zu schnellen autos nach einer längeren fahrt über stadt und land bescheinigt: „dees muss i echt saaga – du fährsch subber!“ (er ist türke und hat einen überaus charmanten schwäbischen akzent).
timanfaya - 11. Mai, 17:01

it ist dark ... but also not!


roll ...
roll ....
roll .....
roll ......
roll .......
roll ........

-> das lassen wir morgen abend mal so richtig bo[e]se durch den holzboden krachen (o:

blogistin - 12. Mai, 11:03

“Wir fahr'n fahr'n fahr'n auf der Autobahn
Vor uns liegt ein weites Tal
Die Sonne scheint mit Glitzerstrahl
Die Fahrbahn ist ein graues Band
Weisse Streifen, grüner Rand
Jetzt schalten wir ja das Radio an
Aus dem Lautsprecher klingt es dann:“
let’s rock … and roll …
(danke, kraftwerk)

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