Pottesk, II.
2. Aufzug, erster Auftritt
Besagtes Mehrfamilien-Haus, Altbau, Wohnung im dritten Stock: Die darunter liegende Wohnung stand acht Monate leer und wurde gerade verkauft. Der Feuchtigkeitsschaden scheint sich zwischenzeitlich in Luft aufgelöst zu haben. Dafür sind nun seit Tagen Handwerker zu Gange, offensichtliches Hauptziel jener Herren in Blau: Austausch der Nachtspeicheröfen gegen eine Gas-Heizung.
GWS-Handwerker (Mitte 40, im von den Stemmarbeiten stark ergrauten Blaumann)
„Tach, wir machen unter Ihnen die Heizung neu. Wo laufen denn Ihre Leitungen?“
Dame des Hauses, irritiert, weil den Umfang und Inhalt der Frage nicht erfassend: „Ich verstehe leider nicht ganz.“
„Na, wo sitzt der Kamin, in dem die Heizungs-Leitungen laufen?“
„Keine Ahnung, alle Heizungsrohre kommen aus dem Boden. Und ein Kaminzug in dem Sinne ist mir noch nicht aufgefallen. Gäbe es einen, müsste er ja auch in der Wohnung unter mir zu sehen sein, oder?“
Der GWS-Handwerker scheint nun seinerseits mit dieser Antwort nichts anfangen zu können und hakt mit leichter Entrüstung nach: „Sie müssen doch wissen, wo Ihre Heizungsleitungen laufen!“
Diese Steilvorlage kann sich die Dame des Hauses nicht entgehen lassen und entscheidet sich heute für die Rolle der unwissenden Hausfrau, deren oberstes Credo „Veleda“ heißt. „Nein, ich bin nur Hausfrau. Von solchen Dingen habe ich keine Ahnung.“
Tiefes ein- und ausatmen des GWS-Handwerkers: „Darf ich dann mal?“
„Sie möchten was dürfen, bitte?“
„Na, nachsehen?“
Die Dame des Hauses überlegt, das Spielchen noch ein wenig weiter zu treiben, entscheidet sich aber ob der Haarpracht des Herrn, die ebenso ergraut ist wie sein Blaumann, für ein mildes „Klar!“
Er betritt zielstrebig die Küche, stutzt und sagt: „Die Leitungen gehen ja in den Boden!“
„Sagte ich doch!“
„Hmm, und einen Kamin gibt es nicht?“
„Nicht dass ich wüsste.“
„Hmm, dann müssenwer wohl doch noch weiter klopfen.“
Dame des Hauses zuckt mit den Schultern und ignoriert seinen Blick auf den Teller voller Apfelkuchen-Stücke, der auf dem Küchentisch steht. Der GWS-Handwerker macht jedoch keine Anstalten zu gehen, und so beschließt die Dame des Hauses, ihm ein wenig Beine zu machen.
„Da ich offensichtlich nichts für Sie tun konnte, können Sie mir vielleicht helfen: Stellen Sie im Keller nen zusätzlichen Kessel auf?“
„Nee, wir gehen an den ran der da ist.“
„Oh! Das wundert mich aber, denn nach Auskunft der Hausverwaltung ist die Kapazität dieses Kessels doch bereits erschöpft.“
GWS-Handwerker, zur Haustür schlendert, holt zum Trumpf aus: „Nee, nee, dat geht schon. Dat kann man ja errechnen.“
„Ach so. Toll, dann haben Sie ja alles im Griff.“
GWS-Handwerker verlässt die Wohnung, bedankt sich nickend und trottet schwer anmutenden Schrittens eine Etage tiefer.
blogistin - Montag, 30. Januar 2006, 14:43
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