Zeitlos

Montag Abend, ich sehe C., C., wie sie mit den Armen winkt, winkt und sich freut, so wie ich mich freue. Ein Jahr ist es her, fast ein Jahr. Sie streckt mir ihre Arme entgegen, umarmt mich, „Na?!“ Vertraut, ein Jahr soll es her sein? Wir wundern uns und reden, und essen, Currywurst, die beste der Stadt, gemütlich ist’s noch dazu, sie erzählt von den alten und neuen Kollegen, von der Familie, den Verlust eines Menschen lässt sie aus, erwähnt es in einem Nebensatz, ich wisse es doch schon. „Ja, sage ich, ich weiß es.“. Sie lacht, bestellt sich noch ein Bier, erzählt von ihren Ideen, vom Umzug, wild gestikuliert sie mit ihren Händen, ach, mit ihren ganzen Armen spricht sie, ich mag das, an ihr mag ich das. „Und?“ fragt sie mich, ich erzähle, sie hört zu, schaut mich mit ihrem neugierigen Blick an, lächelt, sie isst schnell, immer schon, ich erinnere mich, ich erinnere mich auch, dass ich in ihrer Gegenwart das Tempo haben kann, dass meiner Natur entspricht, schnell einen Satz aus dieser Geschichte, ein Ausflug zu jenem Gefühl und „Wie geht es eigentlich… ?“ Wir reden und reden und kratzen an der Oberfläche, ich bei ihr, sie bei mir, wir necken uns, lachen, nein, wirklich offenbaren tun wir einander nie, wozu auch, es macht Spaß, tiefgründiges in kleine, hübsche Wortschachteln zu verpacken, den anderen nur schnuppern zu lassen, am tiefen Gefühl, an der kleinen Sorge. Freude allerdings, die teilen wir, ungehemmt. Freude ist, was C. ausmacht, denke ich. Freude, die sie ausstrahlt, was immer passiert, Freude und die Kraft, weiterzumachen, was immer passiert. Nicht zu jammern, niemals, zu lamentieren allenfalls. „Ich bin in drei Wochen wieder hier, “ sagt sie, als wir uns verabschieden „Vielleicht sehen wir uns da schon wieder.“ Drei Wochen, drei Monate, drei Jahre, Zeit spielt keine Rolle.
Mittwoch Nachmittag, dreimal kehre ich zu dem großen Stand auf der Buchmesse zurück, um ein paar Minuten mit V. verbringen zu können, beim vierten Mal gelingt es mir schließlich, zwanzig Minuten haben wir, zwanzig Minuten zwischen zwei Terminen. Sie sieht mich zuerst, kommt mir mit weit geöffneten Armen entgegen „Vorhin dachte ich noch, ob sie vielleicht hier ist?’ Wie geht es dir?“ Ich erzähle, schaue in ihr fröhliches Gesicht, sie altert nicht, niemals, sie ist eine jener Frauen, die schöner werden, immer schöner, mit jedem Tag. Als sie spricht, von ihrem Leben erzählt, kann ich nicht wegsehen von ihrem schönen Gesicht, von ihrem Lächeln, das immer da ist, immer, stelle fest, sie ist genauso schnell wie C., wechselt die Themen in Windeseile, und doch, sie ist völlig anders, ruhig, ruhiger, ihr Lächeln ist ein Strahlen, hell, sehr hell. „Er“, sage ich und rücke ein klein wenig näher an sie heran „ist übrigens auch da. Und sie, sie auch.“. Jetzt rückt sie noch näher, näher zu mir, hält ihre Hand vor ihren Mund, wie ein kleines Mädchen sieht sie aus mit dieser heimlichtuerischen Geste, leiser spricht sie jetzt: „Oh, sag mir ungefähr wo, damit ich das Gebiet weiträumig …“. Sie lacht, als ich ihr die Koordinaten nenne, wir teilen ein paar Gedanken über unsere gemeinsame Vergangenheit, sind uns einig, einig über manch tiefes Gefühl. Da kommt er schon, ihr nächster Termin, eine kurze Umarmung. „Wir sehen uns!“ sagt sie. Ja, wir sehen uns, irgendwo, irgendwann. Zeit spielt keine Rolle.
Mittwoch Abend, F., drei Jahre, drei ganze Jahre ist es her, mit weit geöffneten Armen kommt er mir entgegen, weiter, weiter, irgendwo hin. Er geht noch immer sehr schnell, ich komme kaum nach, brauche ein paar Minuten, um mit seinem Tempo Schritt zu halten. Er redet, redet, lacht, redet, redet, lacht, den kurzen Weg bis ins Restaurant, wir sitzen, einfach irgendwo, schön, noch einen Platz zu bekommen an diesem Abend in dieser mit Menschen überfüllten Stadt, vergessen, das Essen auszuwählen, geduldig geht sie wieder, die Kellnerin. Teilen Gedanken, Ideen, Ideen, die es nicht gibt, sind uns einig, dass man keine Idee haben muss, um eine Idee zu haben. Lachen, reden, lachen. „Hast du die Zeit gesehen?“ denke ich, wir eilen zum Bahnhof, schnell, schnell, der Zug fährt gleich. „Komm bald mal wieder.“, sagt er. „Ja.“ denke ich. Zeit spielt keine Rolle.
schroeder - 25. Oktober, 18:05

Finde ich sehr schön, wenn man Menschen hat [kennt], mit denen sich nahtlos dort anknüpfen lässt, wo man Jahre zuvor aufgehört hat. Habe ich auch - allerdings weniger, als Finger an einer Hand.

blogistin - 26. Oktober, 15:08

oh ja, das ist es.
wie viele es sind, bei mir, grüble ich gerade. hm. alle menschen, mit denen ich anknüpfen kann, nahtlos, wann auch immer, würde ich als freunde bezeichnen. ich glaube, freundschaft hat nichts mit erwartung, erfüllung und beständigkeit zu tun, das wäre ungerecht dem leben gegenüber. aber vielleicht sehe ich das auch falsch … egal.

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