Rotes Grausen
„… kennen Sie die Tage, wenn Sie das rote Grausen gepackt hat?“
„Ist das das gleiche wie die blaue Melancholie?“
„Nein“, versetzte sie langsam. „Nein, die kriegen Sie, weil Sie dick werden, oder auch wohl, weil es zu lange regnet. Da ist man traurig, das ist alles. Aber das rote Grausen ist grässlich. Sie fürchten sich und schwitzen wie in der Hölle, aber Sie wissen nicht, wovor Sie sich fürchten. Außer dass etwas Schlimmes geschehen wird, nur wissen Sie gar nicht, was. Haben Sie das schon mal gehabt?“
„Ziemlich oft. Manchen nennen es einfach: Angst.“
„Na schön: Angst. Aber was tun Sie dagegen?“
„Tja, trinken hilft.“
„Das habe ich versucht. Auch mit Aspirin habe ich’s oft versucht. Rusty meint, ich solle Marihuana rauchen, und das habe ich eine Weile getan, aber da fange ich nur an zu kichern. Was mir, wie ich herausgefunden habe, am allerbesten tut, das ist: Eine Taxe nehmen und zu Tiffany fahren. Das macht mich umgehend ruhig. Die Stille dort und der prächtige Eindruck; nichts sonderlich Schlimmes kann einem dort passieren, nicht mit diesen liebenswürdigen Männern da in ihren feinen Anzügen und mit dem herrlichen Geruch nach Silber und Krokodillederbrieftaschen. Wenn ich im wirklichen Leben einen Ort finden könnte, der mir ein Gefühl wie Tiffany gibt, würde ich mir ein paar Möbel kaufen und dem Kater einen Namen geben.“
Vor Augen: Truman Capote: Frühstück bei Tiffany, rororo, Seite 34.
Im Ohr: Bugge Wesseltoft, Sidsel Endresen: The Lady is a Tramp, 8. Stück auf „Nightsong“
Im Sinn: Gut 250 Kilometer bis Tiffany & Co.
blogistin - Mittwoch, 5. Oktober 2005, 15:49
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