Pottesk
1. Aufzug, erster Auftritt
Mehrfamilien-Haus, Altbau, Wohnung im dritten Stock, kleiner Balkon zur Straßenseite, die darunter liegende, leer stehende Wohnung hat offenbar einen kleinen Wasserschaden unterhalb dieses Balkons, morgens.
Dachdecker (Ende 40, in Zunft-Kleidung)
„Guten Tag!“
„Tach!“
Dame des Hauses, zögerlich, während er schon den Flur betritt: „Sie wollen sich den Balkon und den Abfluss anschauen?“
„Ja.“
Dame des Hauses geleitet den Herrn auf den Balkon, er guckt in die Ecken, sieht offenbar den Abfluss nicht: „Is hier kein Abfluss oder wat?“
„Doch, da.“
Er, kniet sich hin, stochert mit dem Zollstock auf dem Sieb des Abflusses herum.
“Ist der Abfluss verstopft oder wat?”
“Das weiß ich nicht.”
“Aber öffnen lässt der sich auch nicht oder wat?”
“Das weiß ich auch nicht.”
“Haben Sie `nen Schraubenzieher da?”
“Nein, hier nicht, im Keller. Haben Sie kein Werkzeug dabei?”
“Nee, ich kenn ja die Örtlichkeiten nicht!”
Dame des Hauses wirft ihm einen fragenden Blick zu.
“Im Auto hab ich Werkzeug, aber da muss ich ja noch mal den ganzen Weg die Straße runter laufen. Hier gibbet ja keinen Parkplatz!”
“Ja, müssen Sie dann wohl.”
Handwerker, brummelt, geht, lässt Türe offen stehen. Dame des Hauses schließt Türe.
Fünf Minuten später, Handwerker poltert die Treppe hoch, Dame des Hauses ist nicht schnell genug an der Türe um zu öffnen, Handwerker schlägt mit der Hand gegen die Scheibe der Tür, Dame des Hauses öffnet, er geht brummelnd an ihr vorbei auf den Balkon.
Werkelt am Abfluss herum, ruft in die Wohnung: “Hammwer wat Wasser da?”.
Dame des Hauses, noch nicht des Ruhrpott-Dialekts bis ins letzte Detail mächtig, fragt vorsichtig nach: “Sie brauchen Wasser in einem Behältnis, um den Abfluss durchzuspülen?“
Handwerker, offensichtlich überaus negativ vorbelastet, was das Wort Behältnis anbelangt, schaut böse und fährt Dame des Hauses an: "Irgend wat! Nen Eimer oder watweißich!"
Dame des Hauses geht in die Küche, füllt einen Eimer mit Wasser, reicht ihn dem Dachdecker.
Er, setzt Abfluss und Balkon unter Wasser, sagt: „Dat läuft doch durch! Wat hammse denn da für ein Problem?“
„Ich keines, die Wohnung unter uns, die hat wohl `nen Wasserschaden an der Stelle.“
„Ja, dann geh ich mal da klingeln. Wissen Sie ob jemand da ist?“
„Ganz sicher nicht, die Wohnung steht leer und soll gerade verkauft werden.“
„Na, ich klingele trotzdem mal.“
„Sie können auch gegen die Scheibe in der Tür schlagen, da ist keiner.“
„Sind Sie sicher?“
Dame des Hauses zuckt mit den Schultern.
„Warum hat mir dat denn keiner gesagt?“
„Das weiß ich nicht, ich weiß nicht einmal, wer sie beauftragt hat. Ich ging davon aus, der Besitzer jener Wohnung wäre das gewesen.“
„Nee, die Hausverwaltung. Die ham gesagt, sie hamn Problem mit dem Abfluss! Jetzt ruf ich mal die Hausverwaltung an, wat da los is. Ich muss ja unten rein!“
Der Dachdecker telefoniert, vermittelt zwischen Hausverwaltung und Dame des Hauses, nach fünf Minuten ist man sich einig, dass ein neuer Termin vereinbart wird und der Schlüssel zur Wohnung mit dem Wasserschaden bei der Dame des Hauses zu jenem Zwecke deponiert wird, er tritt wieder ab.
blogistin - Dienstag, 8. November 2005, 10:27