Dienstag, 13. September 2005

Funk, Fusion – funky


funky

„Beware: it is … funky!“ sagt C. und kritzelt mir den Weg zu „The Red Bar“ in Grayton Beach auf ein Post-it. Das Wort, dessen umgangssprachliche Bedeutung ich nur vom Hören-Sagen kannte, es selbst nie einsetzte, allenfalls in Konturschrift, bekam an diesem Abend seine Füllung.
Vor der roten Bar, die gleichzeitig auch das Restaurant Piccolo beherbergt, tummeln sich Polizisten, Polizisten in ihren Autos, Polizisten, die auf der Straße auf und ab gehen, Polizisten, die gegenüber der roten Bar stehen und plaudern. Wartezeit für einen Platz im Restaurant: Eineinhalb Stunden, nein, reservieren für den nächsten Tag geht nicht, gar nicht, nie. Warten oder wieder gehen? Warten.
Nach knapp zwei Stunden sitze ich schwitzend und sehr sehr hungrig auf einem wackeligen Stuhl an einem wackeligen Tisch vor einer flackernden Kerze. Ein Kerl hält mir eine riesengroße Tafel vor die Nase, vier, fünf Gerichte zähle ich. „Our menu“ höre ich und tippe mit dem Finger auf Chicken, irgendwas mit Chicken. Ein anderer Kerl nimmt sich einen Stuhl, setzt sich zu mir, grinst mich an, möchte wissen woher ich komme, ich wäre doch bestimmt aus Europa, er ist Philippe, Philippe Petit, er lacht, der Riesenkerl, aus Belgien ist er, führt den Laden mit seinem Bruder, dreht seinen Kopf, lässt seinen Blick durch den Raum huschen, fragt, ob es mir hier gefällt, was ich bestellt habe, wie lange ich hier bin und dass ich ganz sicher in einer Woche dunklere Haut bekommen würde, seine Mashed Potatoes sind die besten weit und breit und die Polizei versammelt sich fast jeden Abend vor der roten Bar, weil es da immer eine Schlägerei gibt, nix ernstes, aber immerhin wurde ihm dabei schon mehr als einmal der Laden zertrümmert und deswegen repariert er die Möbel auch nicht mehr. Funky.
Medeski, Martin and Wood höre ich an jenem Abend zum allerersten Mal, irgendein DJ legt auf in der roten Bar. Vielmehr: Fäden meines Hirns bleiben hängen an den schrägen und quietschigen Tönen, die immer dann zu mir herüber schwappen, wenn die vielen vielen quatschenden und schmatzenden und schlürfenden und lachenden und lallenden und gackernden Menschen für Bruchteile von Sekunden ein klein wenig leiser sind, so als würden sie alle auf ein geheimes Zeichen hin innehalten, still sein.
Ich höre eine wunderschöne simple kleine Bassline, jede Menge aufmüpfige Bläser, ein Horn, die Percussions erinnern mich an Kuhglocken, irgendwann schiebt ein Klavier die Bläser bei Seite. „Almabtrieb in New Orleans“ denke ich, „The Saint“ belehrt mich das Booklet von „Notes from the Underground“ später. Funky.
Dreizehn MMW-Platten und ein Konzert – in einer umfunktionierten alten Kirche mitten in Amsterdam, funky, wie es sich gehört – später ist meine Welt, sowohl diesseits wie auch jenseits meiner Plattensammlung, durchzogen von Funk und Fusion. Die drei Herren, denn nur aus drei Herren besteht Medeski, Martin and Wood, John, Billy, Chris heißen sie, können alles, alles, und das vor allem durcheinander, gleichzeitig, einzeln, laut, leise, lang, sehr lang, kurz, präzise, auf den Punkt, improvisiert.
Bei „La Garonne“ (auf „Notes from the Underground“ ) denke ich immer wieder an Brad Mehldaus „Los Angeles“ und wundere mich darüber, dass Musiker, die eben noch ein Unwetter mit ihren Instrumenten herauf beschworen, nun leicht, leise, melodiös und sensibel zupfen und scharren und schlagen und tippen und anschlagen. Funky.
Von Stück zu Stück und von Platte zu Platte ändere ich meine Meinung, ach, bisweilen sogar innerhalb eines einzigen Stücks, das bei MMW durchaus auch mal die 60-Minuten-Grenze sprengen kann: Ich liebe Bass, folglich verzaubert mich Chris Wood mit allen Tönen, die er seinem Kontrabass entlockt, er, er ist der König der Band. „Pustekuchen!“ ruft die Bontempi, John Medeski ist’s, er orgelt wie ein Gott, spielt Klavier so exzentrisch wie Herr Mehldau und so sensibel und fordernd wie Herr Svensson. Und dann? Billy Martin haut drauf – und Schluß! Huh! Ein Ausnahmeschlagzeuger und Percussionist, keine Frage, ein Tonangeber obendrein, ein Mann mit unendlich viel Humor, den er vor allem dann beweist, wenn er Sticks und Besen beiseite legt und sie durch einen dicken Stick, den Bamboo Rainstick ersetzt, wie beispielsweise auf seinem Solo-Album „Falling Water“.
Die Liste der Gastmusiker bei MMW ist lang, ich freue mich immer ganz besonders, wenn im Booklet die Namen Marc Ribot oder John Zorn auftauchen, nahezu genauso lang wie jene Liste der Musiker, denen die drei Herren zu ganz besonderen Platten verholfen haben, John Scofield zum Beispiel oder Chris Whitley.
Noch viel mehr freue ich mich heute allerdings über Zufälle, Zufälle, die mich zum glücklichsten Menschen der Welt machen, weil meine Ohren gut sind, weil ich hinhören kann und zuhören, weil ich hören kann, was nur klein und leise irgendwo zwischen den Takten wummert oder vibriert. Höre „Shelf-Life“ der Herren Lefebvre, Danziger und Caine (Herr Caine, verzeihen Sie, dass ich Sie als Protagonist zuletzt nenne, Grund ist allein, dass ich Ihre beiden Kompagnons im Bedrock Trio persönlich kenne und Sie nur durch sie musikalisch entdeckte), höre Drum’n’Bass-Beats, kann nicht still sitzen, höre wunderhübschen Disco-Jazz, wabernde Bässe und klitzekleine Electronic-Geschichten, die die Turntables dem Bass, dem Keyboard und den Drums erzählen, jene, sie nicken nur oder sie quittieren mit einem Schwank aus ihrem Leben. An James-Bond-Musik denke ich und immer, immer wieder an MMW. Suche nach dem Grund, höre alle Platten durch, und da, da ist er: DJ Olive heißt er, zeichnet verantwortlich für die Electronics auf einigen MMW-Alben genauso wie beim Bedrock Trio. Funky.

PS: Funky, so sieht er aus, der Herr Olive, der eigentlich Gregor Asch heißt, erinnert mich an den Dude in „The Big Lebowski“. Aber das ist eine andere Geschichte, nicht minder funky.

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