Nähe und Distanz
Seine Haare und seine Klamotten riechen nach Frittierfett, so sehr, dass ich ihn Palmin nenne.
Er freut sich auf das Spektakel, das diese Ecke des Sees gleich mit Feuer, Musik und Wasserspiel beben lassen wird. Und er selbst, er bebt jetzt schon. Palmins Freude und Aufregung spüre ich, wenn er im 20-Sekunden-Takt abwechselnd seine linke und seine rechte Pobacke anhebt, und abwechselnd seine linke und seine rechte Hand darunter schiebt. Wenn Freude und Aufregung sich in seiner rechten Körperhälfte bemerkbar machen, dreht er immer auch sein Gesicht zu mir und grinst mich an, so, als warte er auf irgendeine Reaktion von mir, um dann endlich seiner Freude und seiner Aufregung auch mit Worten Ausdruck verleihen zu können.
Ich reagiere nicht. Mir ist nach Schweigen. Warten, schweigen, staunen. Nur deshalb bin ich hier. Habe mich in diese kleine Lücke auf dieser Holztreppe gequetscht, um besser sehen zu können. Und habe dafür in Kauf genommen, den denkbar unangenehmsten fremden Menschen für ein halbes Stündchen ganz nah neben mir zu ertragen.
Ich reagiere nicht, nicht auf Palmin. Ich halte meine Nase lieber nach rechts und atme den Duft der Holzwand ein.
Als die Beleuchtung ausgeschaltet wird und Palmin fast schon nervös hin- und herrutscht, offenbar in der Hoffnung dadurch mehr sehen zu können, presse ich mich noch mehr gegen die Holzwand und schiebe meine Jacke zwischen Palmin und mich. Drei Zentimeter Sicherheitsabstand.
Ich atme Holz, schaue in die Ferne auf den nachtblauen See, schlinge meine Arme um meine Beine und schalte meine Ohren nach innen.
Sicherheitsabstand. Während auf dem See Fackeln und Feuerbälle, Wasserwerfer und Scheinwerferlicht zu Elektromusik tanzen, gibt es in meinem Kopf nur den Gedanken an Momente, in denen ich dieses Wort nicht kenne, keine Sekunde an Sicherheit, an Abstand denke, meinen Kopf und mich verlieren kann. Nah. Ganz nah bei dir.
blogistin - Dienstag, 21. Juni 2005, 16:16