Montag, 21. August 2006

Dabei sein: Alles … oder nichts

Im Grunde mag ich keine Konzerte, bei denen ich mehr als zwanzig Meter von der Bühne entfernt zuhören und sehen muss. Im Grunde mag ich Menschenansammlungen mit einer beständigen Dichte von vier Leuten pro Quadratmeter nicht. Im Grunde mag ich Lärm nicht – und meine Definition beginnt beim Kreissägen-Einsatz meiner überaus unsymphatischen Wir-bauen-uns-ein-Gartenhäuschen-Nachbarn am Sonntag Vormittag und endet bei allen Pop-Rock-Döspaddel-Dudlern, die innerhalb ZweiMinutenVierzig ihr ganzes Nichtkönnen übers Radio verbreiten (gemeinhin: file under >> Massengeschmack oder auch >> Kommerz; ja, ich weiß das). Im Grunde mag ich Gesang nicht. Und hier, genau hier beginnt das Dilemma.

DJ Shadow, im Grunde war ich nur wegen ihm in die Philipshalle gekommen, selten genug sind schließlich seine Auftritte hierzulande, scheint für die meisten Menschen um mich herum nur Support und ansonsten völlig unbekannt zu sein, es dauert zwei, drei Stücke, bis die Masse beginnt sich zum Takt zu bewegen oder anerkennend zu pfeifen. Und während ich tanze vom ersten Ton an, scheint die Realität in meinem Hirn etwas später anzukommen als in meinen Beinen. Ja, ich sehe ihn, klein nur von meinem Platz aus irgendwo in den letzten Menschenreihen der Halle, ja, ich höre ihn. Seine Begrüßung entspricht nahezu aufs Wort jener Begrüßung, die ich von seiner Live-DVD kenne, er spielt all meine Lieblingsstücke von Private Press und Endtroducing. Was fehlt? Adjektive, Attribute und der Charme von Live-Musik, das Glück vom Hören und Sehen. Es ist – perfekt, perfekt wie eine Aufnahme, nicht mehr, nicht weniger. Also tanze ich weiter und freue mich, übers dabei sein, einfach so. Bei Six Days hat er mich dann, der Herr Shadow, ein kleiner Extra-Loop am Anfang des Stücks, der so nicht auf Platte zu hören ist, yeah, ich liebe dieses Stück, könnte es endlos hören, springe in die Luft, hoch komme ich nicht, doch ich kann ein paar Blicke auf ihn erhaschen, immer wieder, sehe, dass er da ist, dass er sich bewegt vom Keyboard zum Plattenteller zum Keyboard, fein, es ist echt, es ist live, es ist gut. Es endet, als Herr Shadow irgendwann einen Herrn auf die Bühne bittet, der singt. In Hamburg im Mojo gab’s seinerzeit 'nen drunken drummer, zu dessen Spiel Herr Shadow mixte was das Zeug hielt (=genial!), hier und heute also eine Britpop-Stimme, einen Herrn Irgendwer (=nicht mein Ding), seinen Namen merke ich mir nicht, wer Infos will kann googeln gehen. Freilich, schlecht singt er nicht, dieser Herr Irgendwer, aber das gilt auch für meine Mama, wenn sie gut drauf ist, Fenster putzt und singt, dennoch würde ich verständnislos den Kopf schütteln, käme sie auf den Gedanken, mit Gesang Geld verdienen zu wollen. Also hake ich ihn ab für heute, den Herrn Shadow, hoffe, dass sein neues Album im Herbst nicht ausschließlich von der Stimme des Herrn Irgendwer getragen wird und wünsche mir, von ganzem großen Herzen, dass er bald wieder kommt, auf eine kleine Bühne, in einem kleinen Saal, in dem ich ganz vorn stehen und ihm auf die Hände schauen kann.
Eine Currywurst und eine Cola später stehe ich am gleichen Platz, geblendet von Lichtbändern, die alle Aufbauten, die ich so gern sehen würde, in grelles Nichts tauchen. Licht, Schatten, Licht und die Konturen zweier Drumsets, die die Bühne flankieren, das ist alles, was ich sehen kann, in den nächsten eineinhalb Stunden, immer dann wenn ich gen Bühne gucke. Zwei Drumsets! Der Druck, den die Drummer, die ich nicht sehen kann, damit erzeugen, entschädigt mich für alles … fürs nichts sehen können, fürs Defilée der Sänger und Sängerinnen, die mehr schlecht als recht für den Wiedererkennungseffekt von Karmacoma, Daydreaming, Unfinished Sympathy sorgen, zu soulig, bluesig, groovig klingen sie allesamt, ja, mancher mag von anderen Sphären sprechen, wenn da direkt zu Beginn von Angel zwei Töne zu hoch los geträllert wird, ich nicht, fürs sich lautstark unterhaltende Männerduo links, das Konzert mit Klub verwechselt. Druck, so wie ich es mag, brummende Bässe, zwei müssten es sein, sehen kann ich sie nicht, flirrende Gitarren, ebenfalls zwei, auch hier nur Vermutung, und schließlich, endlich!, lässt sich Herr Del Naja treiben, lässt Hymne of The Big Wheel zur Hymne werden, fernab der 6:36, die das Stück auf Platte zu bieten hat. Da ist er, der Charme von Live-Musik, das Glück vom Hören, bei dem das Nichtsehen in Grund, Boden und Bauch getrommelt wird. Und so singe ich, falsch freilich, weil noch immer die Drums-Bass-Guitar-Druckwelle des letzten Stückes in meinem Kopf dröhnt, den ganzen Nachhauseweg:

The big wheel keeps on turning
On a simple line day by day
The earth spins on its axis
One man struggle while another relaxes


Und das ist im Grunde gar nicht meine Art.

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Ach, Du liebe herzensgute Frau...ich drück' Dich! :-*
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danke.
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